Unsere Kontrollinstrumente sind gut und griffig

Stefan Hirt, Chefinspektor der Arbeitsmarktkontrolle des Kantons Bern

Foto: © Hugues Siegenthaler

«Unsere Kontrollinstrumente
sind gut und griffig»
 

An diesem Tag steht eine Grossbaustelle im Berner Seeland auf dem Plan. Stefan Hirt und sein Kollege von der Berner Arbeitsmarktkontrolle wollen wissen, ob der Gesamtarbeitsvertrag des Bauhauptgewerbes bei allen Beschäftigten eingehalten wird. Ob Kollegen, die nicht in der Schweiz leben, sich korrekt angemeldet haben. Er trifft den Polier, einen alten Bekannten. Unter dessen Leitung ziehen hier an die dreissig Bauarbeiter elf Wohnblöcke hoch.

Hirt ist beeindruckt von der Ordnung auf der Baustelle. Er fragt nach Akkordanten, Maurern, Schalern und Eisenlegern. Einer ihrer Chefs, ein Subunternehmer aus dem Aargau, ist gerade auf dem Platz. Und erklärt ganz offen: Nein, Spesenund Wegentschädigung zahle er seinen Leuten nicht. Hirt notiert das in einem Rapport an die zuständige paritätische Berufskommission (PBK) Biel-Seeland, in der hälftig Arbeitnehmende und Arbeitgebende vertreten sind.

Hirt kennt die Bieler gut. Hier hat er vor 15 Jahren als Arbeitsmarktkontrolleur angefangen. Als Zimmermann sass er zuvor in der Berufskommission des Baugewerbes und im Vorstand der Unia. Er habe sich sehr für die flankierenden Massnahmen eingesetzt, erzählt er und wollte deshalb auch bei deren Umsetzung helfen. So arbeitete er drei Jahre als Inspektor in der Region Biel-Seeland. «Damals gingen wir noch mit Block und Bleistift auf die Baustellen, und niemand wusste genau, was er machen sollte.»

Wirkungsvoll

Viel wirkungsvoller wurden die Inspektionen, als die flankierenden Massnahmen nach und nach verschärft und die regionalen Kontrollstellen 2008 kantonal zusammengelegt wurden. Diese Zentralstelle beschäftigt sich heute mit fast allen Branchen. Sie kontrolliert die Einhaltung der Gesamt- und Normalarbeitsverträge, ermittelt aber anders als in anderen Kantonen auch mögliche Fälle von Schwarzarbeit. Zwei- bis dreimal pro Woche müssen Hirt und einer seiner sechs Kollegen die Polizei beiziehen. Ihre Aufträge für die rund 4000 Kontrollen jährlich erhalten sie von den paritätischen Kommissionen und vom Kanton. Dabei sollten sie in etwa gleich viele ausländische wie Schweizer Firmen berücksichtigen.

Zurzeit schauen sie sich vor allem bei den Malern und Gipsern, den Schreinern und auf dem Bau um. Auf welche Baustelle sie gehen, ist dabei ihnen überlassen. Oft verfolgen sie Hinweise, die sie aus der Bevölkerung, von Gewerkschaftern, Polieren, oft auch Arbeitgebern bekommen. Hirt: «Nach 15 Jahren hast du deine Kontakte, und sowohl die Arbeiter als auch die Patrons vertrauen dir.»

«Seelenfutter»

Die Kontrollinstrumente seien «gut und griffig», meint Hirt. «Ich habe alles mit aufgebaut, und es ist mir eine Herzensangelegenheit.» Sicher, bei seiner Grösse und Gestalt – Hirt ist fast 2 Meter gross – kommt so schnell niemand auf den fahrlässigen Gedanken, sich aufzulehnen. Aber er strahlt auch Ruhe aus und ist seinem Gegenüber stets zugewandt. Ziel ist es, sich am Ende jeder Kontrolle mit Augenkontakt und einem Händedruck vom Kontrollierten verabschieden zu können. Hirt weiss, wie schwer es gerade entsandte Arbeitskräfte aus Osteuropa haben, die froh sind über einen Job und einen Verdienst, selbst dann, wenn er weit unter dem liegt, was sie in der Schweiz erhalten müssten. Immerhin ist es eine Genugtuung für Hirt und seine Kollegen, wenn sie von den paritätischen Berufskommissionen, denen sie Verstösse gegen GAV-Bestimmungen rapportieren, positive Rückmeldungen erhalten. Wenn Bussen und Sperren gegen betrügende Firmen verhängt werden. Das sei einerseits «Seelenfutter» für sie. «Andererseits bringt es uns auch voran, weil wir erfahren, worauf wir noch mehr schauen müssen.»

Und Freude hat Hirt, wenn die kontrollierten Beschäftigten schätzen, was er macht. «Die flankierenden Massnahmen sind angeblich ganz Europa ein Dorn im Auge. Dabei hören wir gerade von deutschen Entsandten immer wieder, dass solche Kontrollen auch bei ihnen zu Hause gemacht werden müssten. Dann wären ihre Arbeitsbedingungen besser, und sie müssten nicht in die Schweiz kommen.»

Zahlen & Fakten

170’000

Mal werden jedes Jahr die Arbeitsbedingungen von in der Schweiz tätigen Personen kontrolliert. Bei einem Verstoss folgt eine Sperre für den Arbeitgeber oder eine Nachzahlung.

40’000

Unternehmen werden jährlich kontrolliert. Löhne, Sozialversicherungsbeiträge, Spesen: wer nicht korrekt bezahlt, wird gebüsst.

7-mal

öfters als in Deutschland werden Unternehmen in der Schweiz auf die Einhaltung der Regeln und Löhne kontrolliert.

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